„Egal wie das hier losgeht, hören werdet ihr es nie, und wenn doch, sagen alle: Geile Kraftklub–Kopie.“ Wenn eine junge Band ihre Karriere und ihren allerersten Song mit diesen Worten lostritt, kann man es sich als mäßig witziger Musikjournalist auf der Suche nach einem knackigen Einstieg auch mal leicht machen – und das Ding einfach zitieren. Auch der Refrain von „Traurig aber ist so“ sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Darin heißt es „Traurig aber ist so, wir sind zu alt für Musik / Traurig aber ist so, weil es das alles hier schon gibt.“ RAUM27 machen natürlich trotzdem weiter – oder besser: Sie fangen erst so richtig an. Tristan Stadtler (Texte und Gesang) und Mathis Schröder (Musik und alle Instrumente), die erst 2018 gemeinsam Abi machten, sind natürlich keine Zyniker, die ihr Schaffen schon ins Grab reden, bevor es überhaupt losgeht. Es ist eher norddeutscher „Humor halbtrocken“, in Verbindung mit einer gewissen Chuzpe und dem, was Tristan „Bockigkeit“ nennt. „Mathis und ich haben uns über den Musikunterricht und die Schulband angefreundet und irgendwann gemerkt, dass wir mehr machen wollten, als bloß ‚Seven Nation Army‘ zu covern.
Immer wenn ich mit einer Text–Idee ankam, meinte Mathis so was wie: ‚Nee, das klingt voll nach Kraftklub–Rip–off.‘ Oder: ‚Nee, das ist zur sehr Henning May für Arme.‘ Ich bin dann immer wie so ein bockiges Kind nach Hause gelaufen und irgendwann habe
ich ihm diesen Text hingeknallt, in dem ich einfach darüber schreibe, dass es mir scheißegal ist, nach wem das klingt und dass eh schon jeder Song mal so ähnlich geschrieben wurde.“ Trotz, oder gerade wegen dieser Erkenntnis klingen RAUM27 inzwischen sehr charismatisch und eigenständig. Tristan hat diese kehlige, mal betont grölende, mal sanft raspelnde Stimme, die eben weder Kummer noch May und auch nicht ganz Faber ist. Und Mathis kleidet diese Stimme und diese sehr guten Texte in Musik, die zwar Referenzen von Kraftklub über Provinz bis Von Wegen Lisbeth anklingen lässt, aber stets ihre ganz eigenen Haken schlägt.
Dieser erste Song entstand im „Raum 27“ ihres Gymnasiums in Bremerhaven. Mathis erklärt „Das war ein ziemlich hässlicher Standard–Schulraum, in dem so ein schrottiges Schlagzeug und ein paar andere Instrumente rumstanden. Weil ich einen Gitarrenkurs für Fünft– und Sechstklässler machte, hatte ich halt den Schlüssel dafür.“Und Tristan ergänzt: „Wir haben da mehr Zeit verbracht als im eigentlichen Klassenzimmer, deshalb fanden wir den Bandnamen ganz passend.“ RAUM27 ist also keine Hommage an den tragischen, aber genialen „Club 27“, es sei denn, ein Hausmeister oder eine Musiklehrerin haben sich mit der Nummerierung einen Spaß erlaubt – das müsste man noch einmal recherchieren. Tristan erzählt: „Einige meinten auch, der Name sei so ein Rap–Ding – Raum zwei sieben – weil der Postleitzahlenraum von Bremerhaven mit 27 beginnt.“ Gefunden haben die beiden sich nach und nach während der gemeinsamen Schulzeit, wie Tristan erzählt: „Ich komme aus einem Dorf bei Bremerhaven und war anfangs immer so ein wenig der Außenseiter. Mathis war immer der Coole in der Schule mit all‘ den Friends, während ich wie ein Gespenst durch die Schulflure gehuscht bin. Irgendwann hat man mal im Musikunterricht 15 Punkte bekommen, wenn man einen Song auf dem Weihnachtskonzert spielt. Das habe ich dann mit Mathis gemacht.“ Danach sei Tristan „in der Schulband backen geblieben, in der Mathis sehr aktiv war.
Dabei merkten wir irgendwann, dass wir eigenes Zeug machen wollten.“ Mathis war schon damals auf dem Weg zum Multiinstrumentalisten – seit jeher eines der liebsten Wörter im Musikjournalismus. Wo das herkommt?
„Musik hat schon immer zu meinem Leben gehört. Ich habe in der Grundschule mit Schlagzeug angefangen, in der Sekundarstufe kamen Klavier und Gitarre dazu. Erst habe ich mir vieles über YouTube beigebracht, auch kurz mal Unterricht genommen, aber das nie so richtig durchgezogen. Es muss glaub ich bei jedem, der Musik machen möchte, so einen Knackpunkt geben, an dem man merkt: ‚Das mach ich jetzt nicht nur, weil die Eltern das wollen – das mach ich für mich, weil die Musik mich runterbringt und ich mich damit ausdrücken kann.‘“ Tristan wiederum kam eher über das Schreiben zum Singen und zur Musik: „Ich habe als Teenager unglaublich viel gelesen und Kurzgeschichten und Gedichte geschrieben. Das kam auf dem Dorf natürlich nicht so gut an: ein Junge, der Gedichte schreibt. Deshalb habe ich das eher für mich gemacht. Bis ich während dieser Schulband– Geschichte mal mein Gedichtbuch rausgeholt und versucht habe, die Dinger zu singen. Das kam irgendwie gut an, obwohl alle gemerkt haben: Junge, der Typ kann halt einfach nicht singen. Es waren zwar Töne da, und wohl das, was einige ‚Charisma in der Stimme‘ nennen, aber ich hatte so gar keine Ahnung, was ich da mache.“ Das hat sich mittlerweile geändert: „Ich habe in den letzten Jahren gefühlt viermal die Woche Gesangsunterricht genommen, weil ich dachte, ich müsste jetzt in zwei Jahren das nachholen, was andere in sechs schaffen.“